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TAZ - Unscharf geblieben

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AKTUELLE MUSIK. Zum fünften Mal verdichtet das "blurred edges"-Festival mit rund 50 Konzerten in zwei Wochen die weit verzweigte Szene zeitgenössischer Musik in der Stadt VON ROBERT MATTHIES Widerstand zu leisten, künstlerischen wie kulturpolitischen, war die zentrale Idee, als der Verband für aktuelle Musik Hamburg (VAMH) vor fünf Jahren das erste Mal das "blurred edges"-Festival veranstaltete. Basisdemokratisch und ohne künstlerische Leitung organisiert, sollte das Festival die weit verzweigte Szene zeitgenössischer Musik in der Stadt verdichten: der VAMH koordiniert Bewerbungen, Organisation und Pressearbeit, die zahlreichen unterschiedlichen Veranstalter kuratieren ihr Festival aber selbst. Und darauf hinweisen, dass die Förderung für aktuelle Musik fast ausnahmslos gestrichen worden war. In dieser Hinsicht sieht es bis heute nicht besser aus. Das Festival aber hat sich längst fest etabliert. Rund 50 Konzerte, Vorträge und Performances mit weit über 100 KünstlerInnen aus aller Welt sind im Rahmen der fünften "blurred edges" in den nächsten zwei Wochen an so unterschiedlichen Orten wie dem Westwerk, der Hörbar im B-Movie, dem Linken Laden im Kleinen Schäferkamp der der Altonaer Christianskirche zu erleben. Zu hören ist etwa der "Musica Elettronica Viva"-Mitbegründer Alvin Curran. Ende der 60er experimentierte die in Rom unter anderem mit Richard Teitelbaum, Carol Plantamura und Frederic Rzewski gegründete Live-Akustik / Elektronik-Improvisations-Gruppe mit Synthesizern, um Klänge zu transformieren. Beispielsweise John Cages "Solo for Voice 2", indem Carol Plantamuras Stimme durch einen Moog geschickt wurde. 1988 wurde Currans Stück "Crystal Psalms" zum Gedenken an die Novemberpogrome von 1938 live und simultan in mehreren europäischen Städten jeweils von einem anderen Ensemble gespielt und gesungen. In Rom wurde das gesamteuropäische Klangkunstwerk schließlich zusammengeführt und an sieben Rundfunkstationen gesendet. Alvin Curran spricht bereits heute Abend im Rahmen der Reihe "Präsentationen" im Golden Pudel Club über seine Musik. Am Samstag ist der Komponist, Installationskünstler und Schriftsteller mit einem Solo-Konzert zu hören. Das 1996 begonnene Stück "Endangered Species" für Piano, Sampler, Midi-Keyboard, Shofar und Stimme versammelt nach Selbstauskunft alle gefundenen, bekannten, erinnerten und auch vergessenen Musiken, die in Currans Imagination durcheinanderwirbeln. Einmal erkennbare Musik, wie man sie gewohnt ist: vertraute Töne hübsch übereinander gestapelt. Dann wieder zufällige Modelle der ganzen klanglichen Welt, die durch Alvin Currans Fingerspitzen gleitet: Blätter, Tropfen und Strudel natürlicher Klänge, die auf der rastlosen rekombinanten Suche nach der Musik eben anfallen. VON ROBERT MATTHIES, TAZ 30. April 2010

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